Die Praktikermethode ist eine weit verbreitete Bewertungsmethode und wird im Zusammenhang mit Unternehmensbewertungen von KMU häufig erwähnt. Ist der Name Programm? Wie praktisch und insbesondere wie hilfreich ist diese Methode in der Praxis hinsichtlich eines bevorstehenden Firmenverkaufs?
Schweizer Bewertungsmethode
Das diese Methode gerade in der Schweiz so verbreitet ist, verwundert nicht. Handelt es sich hierbei doch um den bekannten, typisch schweizerischen «Kompromiss». Die Praktikermethode oder auch Mittelwertmethode genannt, vereint die beiden unterschiedlichen Perspektiven Substanz und Ertragskraft eines Unternehmens hinsichtlich Berechnung des Unternehmenswertes.
Substanzwert
Was ist mit der Substanz eines Unternehmens gemeint? Unter dem Substanzwert versteht man die Summe aller bereinigten Vermögenswerte einer Unternehmung. Unter Vermögenswerte werden sämtliche in der Bilanz vorhandenen Aktivpositionen, welche zusammen das Gesamtvermögen eines Unternehmens bilden, verstanden (Brutto-Substanzwert). Um den Netto-Substanzwert zu erhalten, werden alle bestehenden Verbindlichkeiten bzw. Schulden des Unternehmens vom Bruttosubstanzwert abgezogen.
Ertragswert
Es gibt verschiedene Bewertungsmethoden, welche auf die Ertragskraft des Unternehmens Bezug nehmen. In ihrer Gesamtheit basieren sie jedoch alle auf dem gleichen Prinzip, dass ein Unternehmen eine Investition darstellt und sich dessen Wert somit aus der Renditeprognose ableiten lässt. Bei der Bemessung der Rendite wird dann wieder zwischen zukünftigen Gewinnen oder zukünftigen bereinigten Geldflüssen (Free Cash Flows) unterschieden.
Die einfachste Ertragswertberechnung ist die Kapitalisierung des Reingewinns oder des bereinigten Reingewinns eines Unternehmens. Die Herausforderung bei dieser Berechnung liegt in der Wahl respektive in der Bestimmung des Kapitalisierungssatzes (auch Diskontsatz genannt).
Die betriebliche Substanz bleibt bei ertragsbasierten Bewertungen weitestgehend unbeachtet respektive ist lediglich Mittel zum Zweck bzw. zur Erzielung des Betriebsgewinns. Die nicht betriebsnotwendige Substanz (Überschuss an Liquidität) fliesst selbstverständlich in die Bemessung des gesamten Firmenwertes ein und wird zum Ertragswert dazu addiert.
Praktikermethode
Die Praktikermethode (auch Mittelwertmethode genannt) kombiniert also die beiden Grundsätze „Substanz“ und „Ertragskraft“. Dabei wird das arithmetische, gewichtete Mittel von Substanz- und Ertragswert ermittelt. In der Schweizerischen Praxis hat sich eine Gewichtung von Substanz- und Ertragswert im Verhältnis von 1:2 etabliert.
Neben unterschiedlichen Gewichtungen (bspw. 1:3 zu Gunsten des Ertragswertes) kann auch in der Wahl der Ertragswertberechnung variiert werden. Die einfachste und gängigste Variante ist die Kapitalisierung des Reingewinns mit einem entsprechenden Eigenkapitalkostensatz, welcher aus Sicht des Bewerters der Renditeerwartung auf dem Eigenkapital entspricht. Eine andere Variante ist, Transaction Mutiples beizuziehen, auf das zu bewertende Unternehmen anzuwenden und diesen Ertragswert in die Mittelwertmethode einfliessen zu lassen.
Die eidgenössische Steuerverwaltung ESTV kennt die Praktikermethode ebenfalls. Die ESTV kennt drei verschiedene Berechnungsvarianten (vgl. Kreisschreiben 28) und gibt den Kapitalisierungssatz (aktuell bei 7%) vor. Die Varianten unterscheiden sich in der Anzahl der zu berücksichtigen Jahresrechnungen (n bis n -2) und in der Gewichtung der einzelnen Geschäftsjahre (bspw. das aktuellste Jahresergebnis (n) wird doppelt gewichtet).
Die Praktikermethode in der Praxis
Ob Firmeninhaber oder potenzieller Nachfolger, der Unternehmenswert mittels Praktikermethode gilt oft als erster Orientierungspunkt. Insbesondere bei Handelsunternehmen, Firmen aus dem produzierenden Gewerbe oder bei Handwerksunternehmen.
Im Rahmen von Firmentransaktionen liegt der Fokus zumeist auf der Ertragsstärke des Unternehmens. Die Substanz gerät da meist in den Hintergrund, denn die blosse Unternehmenssubstanz garantiert kein Verdienst. Die Ertragskraft ist also massgebend für die Beurteilung der zukünftigen Gewinnentwicklung und somit für die Käufer besonders relevant hinsichtlich Amortisationsdauer des Kaufpreises. Je nach Käufertyp kann der Zeithorizont, in welchem die Investition amortisiert sein muss, variieren und somit dessen Wertempfinden.
Zudem kann es vorkommen, dass strategische Käufer die Unternehmenssubstanz höher werten als private Investoren. Schliesslich ist jedoch die zukünftige Ertragslage des Unternehmens immer der Ausgangspunkt für die Bewertung seitens Käuferschaft.