Unter den KMU-Inhabern besteht eine gewisse Unsicherheit bezüglich der vorbereitenden buchhalterischen Massnahmen beim Firmenverkauf. Sowohl Theorie als auch Praxis liefern verschiedenste Ratschläge, wie die ideale Bilanz im Verkaufsfall aussehen soll. Mittels entsprechender Bilanzaktivitäten soll dann die Verkäuflichkeit beziehungsweise der Unternehmenswert in den Augen des Käufers gesteigert werden. Doch auch wenn die Tipps vom Treuhänder kommen, ist weniger oftmals mehr.
Praxisbeispiel: Verkauf Elektroinstallationsfirma
Neulich hatte ich einen Inhaber einer Elektroinstallationsfirma am Telefon. Er erkundigte sich über unsere Vorgehensweise beim Firmenverkauf und wollte meine Meinung zur Verkäuflichkeit seines Unternehmens wissen. In einer solchen Situation versuchen wir, die Gegebenheiten in Kürze zu erfassen. Ich bat ihn also um einige Eckwerte und Angaben zu seinem Unternehmen.
Verkäuflichkeit des Unternehmens: viele Faktoren wichtig
Kurzer Einschub: Es gibt dutzende von Faktoren, die die Verkäuflichkeit eines Unternehmens fördern oder eben schmälern. Je nach Branche und Art der Geschäftstätigkeit werden diese Faktoren unterschiedlich gewichtet. Letztlich dreht sich immer alles um die Risiken, denen das Unternehmen ausgesetzt ist. Risiken im Kontext der Unternehmensnachfolge bei KMU sind beispielsweise Faktoren wie Inhaberabhängigkeit, Produkte- und Dienstleistungsdiversifikation, Unternehmenskontinuität oder Kapitalintensität.
Vermeintlich gute Ratschläge zur Bilanz beim Firmenverkauf
Zurück zur Elektroinstallationsfirma. Nach einigen Fragen-Antworten-Runden teilte ich dem Inhaber meine grobe Einschätzung hinsichtlich der Verkäuflichkeit seines Unternehmens mit. Meine Aussage erstaunte ihn, da mein Schwerpunkt der Beurteilung nicht auf der Aktivseite der Bilanz lag. Sein Treuhänder hätte ihm mitgeteilt, dass für seine Firma so nie ein Käufer gefunden werden könne. Sie sei zu „schwer“ und er müsse dem Unternehmen zuerst die nicht betriebsnotwendige Liquidität entziehen.
Diese Aussage ist ein Musterbeispiel für vorauseilende Bilanzaktivitäten hinsichtlich eines möglichen Firmenverkaufs. In die gleiche Kategorie der vermeintlichen Ratschläge fallen auch Aussagen zu Betriebsliegenschaften, die im Unternehmen bilanziert sind und vor dem Firmenverkauf aus dem Unternehmen herausgelöst werden sollten. Solche Handlungsmassnahmen respektive Unternehmenszustände sind jedoch aus Käuferperspektive in erster Instanz nicht ausschlaggebend für einen Kaufentscheid. Viel mehr steht das Geschäftsmodell und die Abwägung der oben erwähnten Risiken im Zentrum.
Vorsicht bei vorauseilenden Bilanzaktivitäten
Um es auf den Punkt zu bringen: Nehmen Sie keine voreiligen Bereinigungen von Bilanzpositionen vor, solange die bilanzstrategische Sicht des Käufers/Nachfolgers nicht im Detail bekannt ist. In der Praxis ist es so, dass im Rahmen der Verhandlungen solche Positionen diskutiert und je nach Verkäufer-Käufer-Konstellation entsprechende Lösungen erarbeitet werden.
Die Veränderung des in der Vergangenheit bewährten bilanziellen Zustands kann Unternehmen im Extremfall auch in Bedrängnis bringen. Im Falle des Elektroinstallationsunternehmens beklagte der Inhaber einen aktuellen Liquiditätsengpass, der ihm so nicht widerfahren wäre, hätte er nicht auf Aufforderung hin massiv liquide Mittel abgebaut.
Die ideale Bilanz beim Firmenverkauf – Fazit
Die ideale Bilanz für den Firmenverkauf gibt es nicht! Initialisieren Sie zuerst den Verkaufsprozess, prüfen Sie den Käufermarkt für Ihr Unternehmen und nehmen Sie allfällige Bilanzbereinigungen erst nach konkreter Verhandlung vor. In dieser Reihenfolge stehen Ihnen alle Möglichkeiten offen. Andersherum wird es schwierig und teuer, alte Zustände wieder herzustellen.