Unternehmen, die ihre Geschäftstätigkeit in der Produktion und/oder im Handel ausüben, verfügen meist über ein eigenes Warenlager. Dabei kann das Warenlager in Abhängigkeit von der Unternehmensgrösse, der Warendurchlaufzeit und der Branche einen wesentlichen Teil der Firmensubstanz ausmachen. Dies schlägt sich dann besonders bei der Unternehmensbewertung im Rahmen eines Firmenverkaufes zu Buche. Was bei den Verhandlungen dann im Bezug auf Bewertung des Warenlagers als Diskussionspunkt zwischen den beiden Transaktionsparteien startet, kann sich im schlimmsten Fall zu einem ernsthaften Problem bei der Bestimmung des Preises entwickeln.
Das Warenlager als Preistreiber bei Handelsunternehmen
Oftmals sind gerade Handelsunternehmen, deren Geschäftsmodell nicht im Bereich von «Dropshipping» angesiedelt ist, von dieser Thematik betroffen. Denn im Gegensatz zu Produktionsunternehmen, die meist auch einen substanzintensiven Maschinenpark aufweisen, besteht bei einem Handelsunternehmen die Substanz grösstenteils aus dem Warenlager. Dabei wird beim Verkauf eines Handelsunternehmens bei der Definition des Kaufpreises oftmals auf folgende einfache Formel zurückgegriffen:
Kaufpreis = Warenlagerwert per Stichtag + Goodwill (fixer Preisaufschlag, welcher sich aus den immateriellen Werten einer Firma ergibt)
Diese Formel setzt voraus, dass der Wert des Warenlagers genau beziffert werden kann. Wie aber kann man den Warenlagerwert berechnen? In diesem Zusammenhang ergeben sich weitere Fragen:
- Widerspiegelt der Warenwert den volle Bezugswert der per Stichtag an Lager befindlichen Waren?
- Ist es allenfalls notwendig eine Wertkorrektur vorzunehmen?
- Wie hoch soll diese Wertberichtigung ausfallen?
- Welche Kriterien sind ausschlaggeben, ob eine Wertkorrektur angebracht ist?
Der gesetzliche Warenwert
Einen ersten Anhaltspunkt zu den oben gestellten Fragen liefert das Schweizerische Obligationenrecht. Dabei beschäftig sich Artikel 960 mit den Grundsätzen der Unternehmensbewertung, wobei vor allem die Absätze 1 und 2 Anwendung für das Warenlager finden:
- Bei ihrer Ersterfassung müssen die Aktiven höchstens zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten bewertet werden.
- In der Folgebewertung dürfen Aktiven nicht höher bewertet werden als zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten.
Aus Artikel 960c gehen dann die spezifischen Bewertungsrichtlinien für Vorräte und nicht fakturierte Dienstleistungen hervor:
- Liegt in der Folgebewertung von Vorräten und nicht fakturierten Dienstleistungen der Veräusserungswert unter Berücksichtigung noch anfallender Kosten am Bilanzstichtag unter den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, so muss dieser Wert eingesetzt werden.
- Als Vorräte gelten Rohmaterial, Erzeugnisse in Arbeit, fertige Erzeugnisse und Handelswaren.
Dieser Bewertungsansatz liefert zwar Richtlinien zur Bewertung des Warenlagers, bei einer Unternehmenstransaktion sind diese aber maximal als Anhaltspunkte zu verstehen. Denn der schlussendliche Wert des Warenlagers ergibt sich aus den Verhandlungen zwischen dem Käufer und dem Verkäufer. In der Praxis weiss der Verkäufer oft sehr genau über sein Lager Bescheid, während dem Käufer diese Informationen nicht vorliegen. Daher ist es zentral, dass dem Käufer die relevanten Daten zum Warenlager zur Verfügung gestellt werden. Denn nur so können beide Parteien eine Bewertung des Warenlagers auf derselben Basis vornehmen und haben eine Gesprächsgrundlage und die Informationsasymmetrie wird abgebaut.
Das Warenwirtschaftssystem als Grundlage für den Wert des Warenlagers
In der Praxis hat sich in dieser Hinsicht vor allem eine Massnahme als zielführend erwiesen. Aus Verkäufersicht ist sehr wertvoll bereits vor dem Firmenverkauf ein leistungsstarkes Warenwirtschaftssystem zu implementieren. Aus diesem können dann die für die Lagerbewertung relevante Daten gefiltert und ausgewertet werden. Dabei kann das Warenwirtschaftssystem Aufschluss zu den Durchlaufzeiten der einzelnen Artikel geben sowie eventuelle Saisonalitäten und deren Ausprägung abbilden. Selbstverständlich ist ein solches System nicht nur im Rahmen einer Nachfolgeregelung sinnvoll, sondern für lagerintensive Unternehmen grundsätzlich wärmstes zu empfehlen. Allerdings lässt sich im Kontext der Unternehmensnachfolge festhalten, dass je solider die Informations- und Datengrundlagen vorhanden sind, desto besser lässt sich ein Kaufinteressent von der Werthaltigkeit des Warenlagers überzeugen und desto genauer kann im Kaufvertrag eine differenzierte Bewertungsformel für das Warenlager definiert werden.
Fazit Warenlager bei der Unternehmensbewertung
Dementsprechend ist es für Verkäufer von Geschäftsmodellen, die ein grosses Lager voraussetzen, äusserst ratsam, als Vorbereitung beim Firmenverkauf in ein wirkungsmächtiges Warenwirtschaftssystem zu investieren – sollte dies nicht bereits im Rahmen des Tagesgeschäfts geschehen sein. Diese Investition erhöht die Transparenz im Verkaufsprozess und ermöglicht eine sachgerechte sowie differenzierte Bewertung des Warenlagers. Zudem kann verhindert werden, dass gegen Ende des Transaktionsprozess bei der Bestimmung des Warenlagers, das als Grundlage für den Unternehmenswert dient, Unstimmigkeiten entstehen und dass die Firma im ungünstigsten Fall unter ihrem Wert verkauft wird oder der Transaktionsprozess zum Erliegen kommt. Zudem ist es auch ausserordentlich wichtig, um eine Konsistenz und Transparenz zu schaffen, dass das Warenlager über die Jahre hinweg konsistent bewertet wird und die Überleitung vom effektiven Wert zum Bilanzwert jederzeit nachvollziehbar ist.